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Donnerstag, Februar 12, 2004

Krieg den Romanen 

Bei der wöchentlichen Book Review der New York Times , dem Flagschiff und wichtigsten Meinungsmacher unter Amerikas literarischen Plattformen, ist ein neuer verantwortlicher Redakteur zu bestellen. Das sorgt für Aufregung und Schlagzeilen, jüngst auch in deutscher Sprache. Die Süddeutsche sieht darin sogar ein weiteres Indiz für das "aufgeschreckte und zerstrittene Amerika".
Das schiesst wohl leicht übers Ziel hinaus.

Interessanter aber die originale Debatte. Im Internview Ende Januar für die Online Kolumne "Book Babes" hat der neue NYTimes Chefredakteur Bill Keller "dramatic changes" bei der sonntäglichen Buchbeilage in Aussicht gestellt: Er verspricht künftig weniger Fiction - und insbesondere weniger Erstlings-Romane, und mehr Non Fiction.

"The most compelling ideas tend to be in the non-fiction world", sagt Keller und fährt fort: ""We'll do the new Updike, the new Roth, the new Jonathan Franzen or Zadie Smith. But there are not a lot of them, it seems to me." Ausserdem sollen die Rezensionen bald mehr Entscheidungshilfe bei der Auswahl an den Bestsellerstapeln von Airport Buchläden bieten. Mehr Ideen und Kontroverse soll es geben, denn wen interessieren schon 800 Wort lange Belletristik-Rezensionen.

Die beiden Book Babe Kolumnistinnen Margo Hammond und Ellen Heltzel sehen - sehr vertraute - strukturelle Verschiebungen hinter dem Konzept: "Given its pivotal role in the marketing of books, the Times is likely to accelerate trends already apparent in book publishing. The potential implications are huge, suggesting bigger advances for blockbusters and celebrities, including those who wish to exploit their "public service" in the nation's capital, and scaled-down high-brow fiction lists, based on the assumption that if such books can't get ink in the toney Times, they won't have a prayer in USA Today or Entertainment Weekly."

Zurufe von den Seitenrändern - aus der 'Capital Times' Wisconsin - sehen deshalb ganz pragmatisch vorher: "The future of literary fiction is probably not in hardcover."

Diese pragmatischen Vermutungen sind wohl realistischer als die grobe US-Psychoanalyse in der SZ. Und ganz ähnliche Entwicklungen liessen sich wohl auch hinter den aktuellen deutschen Feuilleton-Skandal-Debatten von Effenberg bis Kunkel erkennen: Es rauscht im Blätterwald. Und auch wenn der aktuelle, neue Branchenbericht vom Börsenblatt von Zuwächsen im Segment Belletristik schreibt, gilt wohl auch hier die Faustregel : der Kurs für Romane fällt, Kriegsgewinnler ist stattdessen die schnelle Bücherpost.



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